Wenn es um den Preis geht, ist nach wie vor Ungarn das Zahntourismus-Mekka schlechthin. Allein in der kleinen Grenzstadt Sopron mit ihren 60.000 Einwohnern praktizieren 300 Zahnärzte. Viele von ihnen werben nicht nur mit ihrem zahnärztlichen Geschick, sondern auch mit Zusatzleistungen wie Wellness und Beauty oder mit umfangreichen Angeboten für einen kompletten Erholungsurlaub. Mittlerweile haben auch die anderen osteuropäischen Länder den Braten gerochen. „In den jungen EU-Ländern werden vielerorts schon eigene Gesundheitsmanager eingesetzt, um Zahntouristen anzuwerben", weiß Roland Rose.
Auch in anderen neuen EU-Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei, Bulgarien oder Estland ist Zahnersatz um rund 40 bis 60 Prozent billiger als in Österreich.
Zu den weiteren „Billig-Zahnländern" gehören Spanien (hier kommt man im Durchschnitt um 30 bis 40 Prozent billiger davon als in Österreich), aber auch Thailand und die Türkei.
Im Hotel Pannonia in Sopron versorgt der „Doppelgänger von Sean Connery" Dr. Lazlo Szilagyi Österreicher seit 20 Jahren mit billigen Zähnen. Neu sind in Sopron Luxuskliniken wiedasWabi Beauty Center, wo man vorher oder nachher auch baden gehen kann
Vielleicht gehen die österreichischen Zahnärzte die Sache falsch an. Eine Kampagne unter dem Motto: „Ist es Ihnen nicht peinlich, nach Ungarn zum Zahnarzt zu fahren?" oder „Können Sie sich das wirklich nicht leisten?" würde wohl mehr bringen als einfach zu sagen, ungarische Zahnärzte sind Pfuscher. Denn nach wie vor ist es vielen peinlich, dass sie nach Ungarn um „billige Zähne" fahren. So auch Frau Monika A. (Name ist der Redaktion bekannt), die uns bei unserer Reportage in Ungarn noch bereitwillig ein Interview gab und einen Tag später einen Rückzieher machte: „Es ist mir peinlich, wenn ich mit Foto und Namen erwähnt werde." Wir akzeptieren das und dürfen so viel zur Person von Frau A. sagen: Sie ist Hausfrau und in Niederösterreich zuhause. Mit dem Auto ist sie von dort in weniger als einer Stunde in Sopron.
Dort, in Sopron, haben wir Frau A. im Wartebereich der Zahnklinik des Wabi Beauty Centers, das gleich hinter der österreichischen Grenze liegt, angesprochen. Dass es sich beim Wabi Beauty Center um keine gewöhnliche ungarische Zahnklinik handelt, wird uns schon auf dem Parkplatz klar: Audi, BMW, Mercedes, ein VW Beetle - hier parken keine „billigen Zahntouristen", auch wenn die Nummerntafeln auf Kunden durchwegs aus Wien und Bezirken in Ostösterreich schließen lassen.
Der äußere Eindruck wird im Foyer nicht enttäuscht: Ein großer Empfang, helle Farben und edle Steinfliesen, dazu Damen und ein paar Herren, die in Bademänteln herumhuschen, lassen uns an ein Thermalhotel denken.
Und tatsächlich kann man sich im Wabi Beauty Center von den Zehen bis zu den Haarspitzen runderneuern lassen. Im Erdgeschoß befinden sich ein großer Friseursalon und ein eigenes Restaurant. Im ersten Stock ist neben der Kosmetikabteilung mit Maniküre, Pediküre und Massage ein eigener Wellness-Bereich mit Pool, Saunalandschaft und Ruheterrasse untergebracht. Erst im zweiten Stock finden wir die Zahnklinik und dazu eine Schönheitsklinik inklusive eigenem Operationssaal. Und während rechts vor allem Implantate und Kronen nachgefragt werden, sind links Brust-OPs und Faceliftings der Renner.
Das Wabi Beauty Center in Sopran liegt direkt hinter der österreichisch-ungarischen Grenze. Vor allem Wiener kommen hierher, um sich gleich von den Zehen bis zu den Haarspitzen runderneuern zu lassen
Insgesamt arbeiten im Wabi Beauty Center 160 Leute, davon fünf Zahnärzte und fünf plastische Chirurgen. Inklusive der Ärzte arbeiten 20 Personen in der ärztlichen Abteilung. Der Rest des Personals verteilt sich auf Kosmetik, Friseur, Massage und auf den Hotelbetrieb, zu dem 14 Zimmer, ein Restaurant und ein Cafe gehören.
Eröffnet wurde das Wabi Beauty Center 2005 und neben der großen Zahl an Tagesgästen, von der wir uns auch während der Woche selbst überzeugen können, ist auch das Hotel ausgelastet, wie uns Direktor Karakai Tamas bestätigt: „Wir haben eine Auslastung von mehr als 60 Prozent. Das ist für ein Hotel sehr gut. Wenn man am Wochenende zu uns kommt, muss man zwei Wochen im Voraus buchen."
Von den vier Behandlungsstühlen, die es bis jetzt im Wabi Beauty Center gibt - ein fünfter wurde gerade bestellt -, repräsentiert ein jeder einen Wert von 50.000 Euro. Dafür steht sogar ein 3D- Computersystem zur Verfügung, mit dem auf Basis einer Computertomographie (die in der Universitätsklinik Sopron gemacht werden kann) die Zähne des Patienten geplant werden. Tamas: „Das Bild wird nach Schweden geschickt, wo eine Schablone gefertigt wird, die in das Kiefer des Patienten eingebohrt wird. In der Schablone werden am Vormittag die Implantate eingesetzt und am Nachmittag bekommt er die Kronen und fertig. Sofort belastbar."
Eigentümer des Wabi Beauty Center ist die Familie Vadon, die bereits einen Schönheitssalon im Einkaufszentrum Sopron Plaza besitzt und davor auch an einer Zahnarztpraxis in der Stadt beteiligt war. Bei dem, was wir im Wabi Beauty Center sehen, ist die Frage aufgelegt: Haben die Vadons in der Vergangenheit so gut an den Österreichern verdient, die seit mehr als 20 Jahren nach Sopron kommen? Tamas, der sich über das genaue Investitionsvolumen ausschweigt, Überrascht uns: „Wir haben auch sehr viel Kredit aufgenommen. Aus Österreich." Aus Österreich? Tamas: ,Ja, von der Bank Burgenland. Die hat hier zwei Filialen und hat uns sehr gute Konditionen gemacht."
Dann muss also auch die Bank Burgenland ein großes Interesse haben, dass das Wabi Beauty Center ein Erfolg wird. Tamas rechnet, dass bei gleicher Qualität der Preisunterschied zu Österreich heute noch bei 30 bis 50 Prozent liegt. Das wird auch noch ein paar Jahre so bleiben, trotz auch in Ungarn steigender Energie- und Personalkosten. Tamas: „Ich denke sechs, sieben Jahre sicher. Aber ich hoffe zehn.
Der Direktor des Wabi Beauty Centers Karakai Tamas ist auch mit der Auslastung des Hotels zufrieden. Wer am Wochenende zur „Hawaii-Massage" unter künstlichem Regen kommt, muss zwei Wochen vorbuchen
Jetzt wollen wir aber wissen, warum Frau A. hier ist. Sie erzählt uns, dass sie schon vor Jahren in Sopron gewesen war, um sich Kronen machen zu lassen. Die hatten nicht gehalten, weshalb sie wieder nach Österreich zum Zahnarzt wechselte. Doch auch die heimischen Kronen hielten nicht.
Frau A.: „Die haben genauso lang gehalten wie die anderen. Da war kein Unterschied." Frau A. leidet an Osteoporose (Knochenschwund), wie sie mir erklärt. Der letzte Arzt in Österreich, bei dem sie war, hat ihr hingegen wenig erklärt. A.: „Ich will nicht schimpfen über den Zahnarzt. Das ist sicher ein guter Zahnarzt in Österreich, er gibt einem aber keine Auskunft. Er hat mich angeschaut und gesagt: ,Kommen Sie das nächste Mal, da ziehen wir die Zähne.'" Das ging Frau A. dann doch etwas zu schnell, sie hätte gerne vorher gewusst, warum und was das kostet. A.: „Der österreichische Zahnarzt hat nur gesagt: ,Zuerst ziehen wir die Zähne, dann sehen wir weiter.' Wenn ich das anfange, muss ich ja wieder zu ihm kommen."
Nicht einmal den ungefähren Preis für ein Implantat wollte ihr der Arzt in Österreich vor dem Zähneziehen verraten. Ihre Tochter habe dann die Initiative ergriffen und im Internet nach einer „ziemlich modernen Zahnklinik in Ungarn" gesucht. Die erste Wahl fiel auf das Wabi Beauty Center. A.: „Ich bin dann hierher gefahren, um mir das anzuschauen. Hier haben mich sogar drei Zahnärzte angeschaut und mich gut beraten." Und Frau A. musste sich auch nicht gleich entscheiden: „Hier hat man mich beraten, ich habe einen Kostenvoranschlag bekommen, dafür nichts bezahlt und mir das überlegen können. Hier sind die Preise sogar in einer Preisliste aufgeführt." Die Kosten für ihre neuen Zähne beziffert Frau A. mit ungefähr 4.000 Euro: „Ich kann das nicht mit Österreich vergleichen. Ich bekomme jetzt ein Mini-Implantat. Ein großes Implantat geht wegen des Kochenaufbaus nicht mehr." Dass das so sein muss, glaubt Frau A. ihrem Arzt und sieht ihre Entscheidung für einen ungarischen Zahnarzt pragmatisch: „Ich habe ungarische Kronen gehabt und ich habe österreichische Kronen gehabt. Wegen meiner Osteoporose sind mir leider beide herausgefallen. Ich denke mir, wenn jetzt wieder etwas ist, war es wenigstens billiger."
Und wenn sie schon mal da ist, geht sie im Wabi Beauty Center auch gerne zum Friseur, so wie am Tag zuvor. Da war auch ihre Tochter mit: „Die war bei der Fußpflege. Meine Tochter kommt mehr wegen der Schönheitssachen. Jetzt will sie sich sogar etwas spritzen lassen. "Jetzt wird es aber Zeit für Frau A. Ihr Arzt holt sie ab und - trotz der bevorstehenden Behandlung miteinander scherzend - Frau A. verschwindet mit ihrem Doktor für drei Stunden in einem der Ordinationsräume.
Zahnklinik unter Arkaden: Auch auf Mallorca läuft das Geschäft mit billigen Zähnen. Dr. Joachim Schmittner (Bild re. mit seinem Patienten Willi Habeth) freut sich jedenfalls auch über Zahnurlauber aus Österreich in seiner Ordination
Das Hotel Pannonia ist eines der ersten Häuser in Sopron. Nicht nur weil in dem Vier-Sterne-Haus, das heute ein Best Western Hotel ist, schon Kaiser Franz Joseph und Johann Strauß genächtigt haben. Im Pannonia begann auch vor mehr als 20 Jahren der Zahntourismus. Einer der ersten Ärzte, der heute noch dort ordiniert, war Dr. Laz-lo Szilagyi. Seit 40Jahren ist er Zahnarzt und seit 20Jahren hat er seine Ordination im Pannonia. Auch wenn er dem legendären James-Bond-Darstel-ler Sean Connery zum Verwechseln ähnlich sieht, überrascht ihn doch, dass schon so viel Zeit vergangen ist.
Nach Sopron gekommen war er damals nicht so sehr, um sich eine goldene Nase zu verdienen, sondern mehr wegen der beruflichen Möglichkeiten. Szilagyi: „Meine Frau ist auch Zahnärztin und mein Sohn ebenfalls. Wir haben gehofft, dass wir hier auf einem höheren Niveau arbeiten können. Ich habe davor in der ganzen Welt studiert und wollte das machen können, was ich gelernt habe." Und in Sopron konnte man vor 20 Jahren die Kunden, die sich das auch leisten konnten, im wahrsten Sinn des Wortes von der Straße holen. Szilagyi: „Man konnte die Straße nicht entlangschlendern, weil so viele Österreicher zum Einkaufen und als Touristen hier waren ." Das sprach sich herum und immer mehr Zahnärzte zog es nach Sopron. Szilagyi: „Das war wie ein Schneeball - nach und nach sind immer mehr hierhergekommen."
Was den Zahntourismus betrifft, blickt Szilagyi beruhigt in die Zukunft. Für ihn ist Sopron ein Markt, der nach den Marktgesetzen Preis und Qualität funktioniert. Szilagyi meint daher, dass auch bei steigendem Preisniveau die ungarischen Kollegen konkurrenzfähig bleiben werden. Szilagyi: „Die Ordinationen in Ungarn sind im Allgemeinen moderner ausgestattet als in Österreich und die Ausbildung ist in Ungarn traditionell auf einem hohen Niveau. Schließlich kommt unsere Medizin auch aus der Tradition der Wiener Schule."
Ortswechsel: Ein typischer Tourismusort auf Mallorca - mit dem besonderen Merkmal, dass Paguera fest in deutscher Hand ist. Direkt neben der Schlecker-Filiale: die Zahnarztpraxis Dr. Joachim Schmittner. Zu ihm kommen aber nicht nur die vielen Landsleute, die ohnehin auf Mallorca leben, sondern auch immer mehr Zahnurlauber aus Deutschland, aber auch aus Österreich. Sie verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen und kehren nach einer Woche erholt und mit rundum erneuertem Lächeln in die Heimat zurück.
Natürlich macht es (trotz Low-cost-Flugverbindung) keinen Sinn, die Reise wegen einer verlorenen Plombe oder einer anderen Kleinigkeit anzutreten. „Alle meine Zahnurlauber kommen wegen Zahnersatz: Implantaten, Brücken, Kronen oder kombinierten Arbeiten. Hier ist die Kostenersparnis am größten", so Schmittner. Warum sie ihre Zahngeschichten auf diese etwas umständliche Art und Weise erledigen, ist leicht erklärt: sehr günstige Preise.
Wir waren vor Ort und begleiteten den Zahntouristen Willi Habeth. Er verbringt bereits zum zweiten Mal einen Zahnurlaub in Paguera. Erstmals war er im Dezember 2006 hier. „Eine zwölf Jahre alte Teleskopbrücke im Unterkiefer war abgenützt, der Aufbau musste erneuert werden", erklärt der selbständige Internet-Unternehmer aus Flörsheim bei Frankfurt. „Laut deutschem Kostenvoranschlag wäre eine Sanierung auf 2.300 Euro gekommen. Das war schmerzhaft! Also setzte ich mich ans Internet und suchte nach Alternativen. Nach einem Fax hatte ich es schwarz auf weiß: Bei Dr. Schmittner kostete dasselbe nur 980 Euro! Die Qualität ist mindestens genauso gut, ich bin total zufrieden! Hotel samt Flug und Halbpension kosteten im Winter, der totalen Nebensaison, für vierzehn Tage nur 450 Euro. Unterm Strich habe ich also 870 Euro gespart und obendrein einen, Gratisurlaub' gehabt!"
Dieses Mal sollen bei Habeth fünf Kronen erneuert werden. Und so rechnet er vor: Was in Deutschland 3.000 Euro kosten würde, kostet auf Mallorca nur 1.300 Euro. Warum aber kann Dr. Schmittner auf Mallorca so preiswert arbeiten? „Hier sind die Zahntechniker um mindestens die Hälfte billiger als in Deutschland und Österreich", erklärt der 59-jährige Medicus.
Nach einer halben Stunde auf dem Zahnarztstuhl ist Willi Habeth für diesmal fertig. Ob er keine Bedenken wegen eventuell nötiger Nachbehandlungen oder möglicher Probleme hat, wollen wir wissen. „Nicht die Spur", beteuert Habeth. Auf das verwendete Material gibt ihm Schmittner statt der in Deutschland üblichen zwei Jahre volle drei Jahre Garantie. Und sollte eine Kleinigkeit, wenn z. B. ein Keramikteil absplittert, zuhause zu reparieren sein, würde Schmittner bzw. sein Zahnlabor in Mallorca auch dafür die Kosten übernehmen. Und sollte wirklich mal etwas Gravierendes schiefgehen, bietet Schmittner folgende Lösung an: „Setzen Sie sich in den nächsten Flieger, wir übernehmen die Flugkosten!" In seinen acht Jahren auf Mallorca sei das aber nur ein einziges Mal vorgekommen.
Der Zahntourismus in den Osten erregt bis heute die Gemüter. Befürworter werfen den Gegnern Angstmache und fingierte Studien vor, die Skeptiker warnen vor gesundheitlichen Risken und billiger Geschäftemacherei. GEWINN hat zwei prominente Vertreter der beiden Lager zum Status quo befragt: Roland Rose, der auf seinem Zahnportal www.zahnarzt-planet.com derzeit rund 20 Zahnarztpraxen (vorwiegend in Osteuropa) präsentiert, und Medizinalrat Dr. Günther Knogler vom Zahnärztlichen Interessenverband Österreich (ZIV).
„Die Qualität stimmt hundertprozentig."
Roland Rose (Zahnplanet)
„Die Qualität stimmt in den neuen EU-Ländern hundertprozentig! Aufgrund umfangreicher Gutachten können wir sagen: Es gibt im Ausland genauso viele oder wenige schwarze Schafe wie in Österreich oder in Deutschland! Die Abzockmentalität ist aber noch wesentlich weniger verbreitet! Die Zahnärzte im Osten sind umgänglicher und offerieren Alternativen. Bei uns in Deutschland bekommt man eine Lösung vorgeknallt und basta; hier sieht der Zahnarzt nur die Zähne -und das Geld. Im Osten wird der ganze Mensch betrachtet. Und die Ausrüstung in den neuen Ländern ist vom Feinsten. Bei uns sitzen die Ärzte mitunter auf den Altlasten ihrer Väter."
„Die Leute haben Zeitbomben im Mund."
Günther Knogler (ZIV)
„Es wurden oft billige, qualitativ schlechte, mitunter sogar gesundheitsschädigende Materialien verwendet. Die Leute haben regelrechte Zeitbomben im Mund und in den Fließbandkliniken wird der Patient zur Nummer und die einzelnen Ärzte sind ausgebeutete Angestellte eines geldgierigen Investors. Nach dem EU-Beitritt müssen nun strengere Auflagen erfüllt werden. Damit sind die Preise rasant in die Höhe gegangen! Das macht den Zahntrip in den Osten nicht mehr so interessant. Unseren Schätzungen nach fahren aktuell rund 130.000 Österreicher pro Jahr zum Zahnarzt ins Ausland, 2004 waren es noch 160.000."